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Montessori für Einsteiger - Teil 3

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Die vorbereitete Umgebung (für zu Hause)

Ohne Hilfe eines Erwachsenen selbstständig tätig zu sein - das ist eine der größten Aufgaben von Kleinkindern in ihrer Entwicklung. Nicht, dass wir dies den Kindern aufzwingen müssten, sie selbst haben diesen innigen Wunsch, diesen inneren Bauplan (wie Montessori so schön sagte), den sie uns auch offenkundig mit klaren Worten Preis geben: "Ich will alleine!".

Bereits die Kleinsten helfen gerne im Haushalt mit, decken eifrig den Tisch, suchen ihre Garderobe aus und kämmen mit Freude ihre Haare. Dazu brauchen sie jedoch eine Umgebung, die ihnen erlaubt selbst tätig zu werden, die auf ihre Größe und ihre Bedürfnisse angepasst ist. Kleine Tischchen und Stühle die sie auch selbst wegschieben oder sogar heben können, kleine Hocker um das Waschbecken oder den Lichtschalter zu erreichen, Geschirr zu dem sie jederzeit Zugang haben. Hier einige Anregungen aus unserem Zuhause, wie man die Räume so gestalten kann, dass die Kleinen sich leicht zurechtfinden:


Diesen Tritthocker zum Beispiel, der leicht zu heben ist, kann man vielseitig anwenden: bei uns steht einer unter dem Lichtschalter im Wohnzimmer damit meine Tochter den Schalter mühelos bedienen kann, und einer im Vorzimmer als Sitzbank beim Schuheanziehen.

Obwohl wir mit den Sicherheitsmaßnahmen in unserer Wohnung keinesfalls übertreiben, möchte ich die Sicherung der Steckdosen jedem ans Herz legen: Kleinkinder stecken, um ihre Fingerfertigkeit zu üben, liebend gerne winzige Gegenstände in kleine Öffnungen. Da sind diese Stromquellen natürlich sehr verlockend - und daher lebensgefährlich!


Es ist natürlich auch ohne Tritthocker möglich das Licht einzuschalten, Hauptsache: ohne Hilfe. 


Die Kinderschuhe können auf einem niedrigen und offenen Regal oder wie bei uns in einem großen Korb aufbewahrt werden. Selbstgemachte Schablonen für Links und Rechts und Schuhverschlüsse, die auch die Kleinen alleine auf- und zumachen können, ermöglichen Selbsttätigkeit und führen somit zu mehr Selbstständigkeit.

 

Das Naseputzen lässt sich am besten dann üben, wenn Taschentücher griffbereit und in der Nähe eines Spiegels liegen. Wichtig ist allerdings, dass die Box immer mit Taschentüchern nachbefüllt wird.

"Die Kinder werden, wie das, was sie lieben" - waren die Worte Montessoris. Eine Umgebung, die schlicht aber liebevoll und ästhetisch eingerichtet ist, sorgt für Wohlbefinden und lädt zum Selbermachen ein. Blumen, Topfpflanzen, Tischdecken und Bilder in Augenhöhe vermitteln Wohlbefinden und Behagen - auch bei Kindern.


Kinder lieben es ihre Umgebung zu pflegen. Besen, Schaufel und Eimer für den Fußboden in greifbarer Nähe sowie eine kleine Gießkanne und Staubtüchlein in der Nähe der Pflanzen laden ein diese liebevoll zu pflegen.


Gesammelte Naturschätze und echte Arbeitsmaterialien auf einem Tisch laden zum Forschen, Entdecken, Beobachten ein.


Eine gemütliche Lese- und Ruheecke sorgt für Entspannung und mehr Lesespaß. Auch die Kleinen brauchen eine Rückzugsmöglichkeit, wo sie ungestört chillen dürfen.

In unserem Wohnzimmer im Eck steht eine Art Atelier welches ich Julia eingerichtet habe, wo Papier, Scheren, Pinsel, Malkreiden, Wassermalfarben, Buntstifte, Stempel, die hausgemachte Knete und diverses anderes Künstler-Material aufbewahrt werden. So kann sie sich jederzeit auch ohne meiner Hilfe bedienen.

Ihr Tisch ist in Wirklichkeit ein Couchtisch von Ikea, hat aber eine ralitv große Arbeitsfläche und ist genau in ihrer Größe bzw. Höhe. Der Stuhl ist auch vom Möbelschweden, allerdings für Kinder ab dem 3. Lebensjahr und auch dementsprechend zu hoch. Sie konnte sich ohne Hilfe nicht hinsetzen. Uns hat das sehr gestört, also sägten wir die Stuhlbeine einfach etwas kürzer.


Kinder brauchen ausreichend Raum für Bewegung. Wir haben zwar nicht allzu viel Platz in der Wohnung, aber wir tüfftelten so lange beim Einrichten herum, bis wir genug Freiraum für ihren ausgeprägten kindlichen Bewegungsdrang gewinnen konnten.

Wir haben ihr auch eine simple Rutsche "gebaut", die wir aber jederzeit wieder wegstellen können: eine ca. 1 x 1,5 meter große Schranktür aus Pressholz, die ganz einfach an der Couch angelehnt und mit einer Decke rutschsicher gemacht wird.


Als sie das Waschbecken nicht einmal vom Tritthocker erreichen konnte, stellten wir ihr eine kleine Wanne auf einem Beistelltischchen mit Wasser hin, sowie Handtuch und Schaumseife. Mittlerweile erreicht sie den Wasserhahn vom Tritthocker ohne Probleme, aber den Waschschaum habe ich mit der "altmodischen" Seife ausgetauscht, damit sie mehr Übungsmöglichkeit für eine bessere Augen-Hand-Koordination hat.


Ein Frisiertischchen mit Haarspangen (im Korb) und Haarbürsten sowie einen Spiegel - auch zum Zähneputzen eine praktische Lösung.


Auch für die Toilette steht alles in greifbarer Nähe, und obwohl die Rolle immer wieder gerne auf ihre Länge untersucht wird, fand ich, sie sollte den Umgang damit üben dürfen. Auf der großen Toilette wird auch gerne Platz genommen, hierbei hilft eine kleine Trittleiter und rutschfester Toilettenaufsatz.


Kleiderschränke aber auch andere Türen lassen sich mit einer längeren Schnur von Kinderhänden einfach öffnen. Kleidungsstücke sowie Socken, Unterhosen und Unterleibchen befinden sich auf den unteren Regalböden in kleinere und größere Körbchen sortiert.


Ein kleiner stabiler Wäscheständer mit Wäscheklumpen ermöglicht es aktiv an der Hausarbeit teilzunehmen. Wir haben auch einen Trittthocker beim großen Wäscheständer stehen, wenn Julia lieber dort arbeiten möchte.


Von dem Floor-Bed können bereits Babys jederzeit runterklettern oder sich nach Bedarf hinlegen. Die Matratze lässt sich einfach belüften, indem sie tagsüber aufgeklappt wird. Ein Schaffell als Bettvorleger wirkt indes nicht nur kuschelig, es ist auch super praktisch was das nächtliche Herumrollen im Bett betrifft.


Spielsachen und Übungsmaterialien in offenen und niedrigen Regalen in kleinen Körbchen sortiert helfen den Kindern den Überblick zu bewahren, sind einladend und vor allem viel zugänglicher. Aber auch Spielsachen, wie anderes Werkzeug sollten ästhetisch einfach, sinnvoll und vor allem mängelfrei sein.



Kinder betrachten sich gerne und lange im Spiegel, er kann aber auch für Spiegelbild-Experimente eingesetzt werden. Ein Spiegel im Kinderzimmer wird garantiert eines der Lieblingsstücke der Kleinen. Mittlerweile gibt es auch bruchsichere Kinderspiegel zu kaufen, unserer hier ist ein herkömmlicher 08/15 Spiegel den wir an die Wand angelehnt haben.


Es lohnt sich auch die Küche so umzustellen, dass dabei auf die Größe und Bedürfnisse der Kleinsten Rücksicht genommen wird. Eine eigene Schublade oder ein offenes Regal für Geschirr und Besteck sowie andere Utensilien sorgt für mehr Engagement im Haushalt und freudvolles Tischdecken. Meine Tochter bedient sich auch selbstständig wenn sie Durst hat, indem sie ein Trinkglas aus ihrer Schublade nimmt und...


... ihren Lernturm zum Waschbecken schiebt. Diesen Lernturm würden wir nie mehr in unserem Haushalt missen wollen. Seitdem sie hochklettern kann ist der Turm ein wichtiger Bestandteil in ihrem Alltag. Sie kann so in der Küche beim Panieren, beim Schälen oder Schneiden helfen. Jeden Tag.


Auch Müllentsorgen ist ein wichtiges Thema im Alltag und sollte daher den Kindern ebenso ermöglicht werden.


Es ist wichtig, dass die Gegenstände echte Arbeit ermöglichen. Zu oft vergessen die Industriehersteller, dass diese Materialien mit welchen Kinder tagtäglich zu tun haben, sei es nur ein Wäscheklumpen, zu echter Arbeit verwendet werden und genauso tadellos funktionieren sollten, wie die unseren.

Ich weiß, dieser Beitrag ist etwas augedehnter, ich wollte dennoch nichts weglassen. Eine viel kürzere und eine der schönsten Beschreibungen der vorbereiteten Umgebung las ich in Edwin Mortimer Standing's, Maria Montessori: Leben und Werk (1957):

"Maria Montessori bezeichnet die vorbereitete Umgebung mit den in ihr möglichen zahllosen Tätigkeiten als Stufen zu einem reicher entfalteten Leben. Unermüdlich ersteige das Kind eine nach der andern und auf jeder finde es Nahrung für seinen Geist, finde es Gegenstände, die ihm gestatten, jene geheimnisvollen Energien in seinem Innern zu üben und zu entfalten, die es unentwegt und ohne Pause aufwärts steigen lassen, um ein Erwachsener zu werden."

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