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Channel: Eltern vom Mars
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Seit einem Jahr ganz ohne Buggy

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Damals, vor gut einem Jahr, hätte ich mir den Alltag ohne unseren Buggy nicht vorstellen können. Ich trug meine Kleine gerne und oft im Manduca und auch in unserem Tragetuch, aber bei den Einkäufen war der Buggy einfach viel praktischer.

Doch eines Tages, als sie zu gehen anfing, fing sie auch an, den Buggy abzulehnen und weigerte sich schließlich gänzlich hineinzusteigen. Ich versuchte das Ding auch leer mitzuschieben, aber der Buggy wurde so zum absoluten Hindernis. Es blieb mir nicht viel anderes übrig, als sie zu tragen oder eben spazieren zu lassen, wenn es die Zeit zuließ. Ich trug sie im Tuch, wenn ich einen Termin einhalten musste, morgens in der U-Bahn (wo viele Menschen zur Arbeit eilten) und ich trug sie, wenn sie schon erschöpft war. Das Tragetuch schien für sie ein guter Kompromiss zu sein, aber sie bevorzugte das Gehen und genoß jeden einzelnen Schritt, den sie machen konnte. Die Zeit schien dann jedoch stehen zu bleiben, wir brauchten für eine 5 Minuten-Strecke mindestens eine halbe Stunde.

Ich gebe zu, der Anfang war nicht immer einfach aber diese Buggylosigkeit war und ist eine absolute Bereicherung für uns beide:

Sie konnte ihre neue Errungenschaft, das Gehen üben und genoss die Bewegung sichtlich. Sie übt auch heute noch gerne das Hüpfen vom Gehsteig, das Runterlaufen von kleinen Hügeln, genießt das Beschleunigen beim Laufen und findet das Rückwärtsgehen besonders lustig. So wurden ihre Bewegungen Monat für Monat geschickter.

Sie kann jederzeit stehen bleiben, wenn sie etwas genauer beobachten will, wie zB. Bauarbeiter oder Ameisen bei ihrer Arbeit oder Tauben die nach Futter suchen und kleine Regenwürmer, die nach einem Regen vor der Wasserflut aus dem Boden fliehen. Sie kann die Welt in ihrem eigenen Tempo entdecken und tatsächlich: ihr entgeht nur selten etwas.

Sie kann nach Lust und Laune alles mögliche sammeln, wie Tannenzapfen, Stöcke und Kieselsteine, die sie dann durch Gitterzäune steckt. Und Kleinkinder stecken bekanntlich unglaublich gerne irgendwo etwas rein um dabei ihre Feinmotorik und Logik zu fördern.

Sie wurde mit dem Straßenverkehr vertraut und weiß, wo sie lieber nicht hingehen und wo sie stehen bleiben soll. Auch in der U-Bahn und in der Straßenbahn setzt sie sich hin und beobachtet ihre Umgebung oder, sollte kein Platz frei sein, hält sie sich geschickt an, da sie bereits erfahren konnte, dass der Zug bei der Fahrt unter ihren Füßen ziemlich arg wackelt.

Die Einkäufe wurden mit der Zeit immer entspannter. Wenn sie zu erschöpft war nahm ich einen großen Einkaufswagen im Supermarkt, wo ich sie hineingesetzt habe, um unnötige Konflikte zu vermeiden. Sonst nahm und nimmt sie einen kleinen Kindereinkaufswagen. Ich lasse sie beim Einkauf aktiv teilhaben und bin jedes Mal verwundert, wie einfach es sein kann, wenn man selbst ruhig und geduldig bleibt. Ich halte das Sackerl, sie steckt die Äpfel hinein und schleppt das Obst zur Waage. Ich gebe ihr das Joghurt in die Hand und sie stellt es ins Wagerl. Ich bestelle die Wurst bei der Theke und sie darf sie kosten. Sie bedient sich auch schon selbst, da sie sich im Supermarkt absolut auskennt. Manchmal landet ein kleiner Kakao im Einkaufswagerl, ein anderes mal eine Packung Butter (sie liebt Butter). Bei der Kassa räumen wir alles gemeinsam auf das Förderband und sie darf ihren Kakao selbst bezahlen. Es gab Tage, wo es nicht immer so harmonisch klappte und ich ins Schwitzen kam, aber ich wusste dann, ich habe sie an diesem Tag falsch eingeschätzt. Vielleicht hatte sie wenig Lust oder war schon zu müde und ich hätte lieber einen großen Wagen nehmen sollen.

Und heute, wo ich sie nicht mehr trage, nehmen wir ein Laufrad mit, wenn wir es eilig haben oder eine längere Strecke in Kauf nehmen müssen.

Auch mir hat es viel gebracht, diese Buggylosigkeit, auch wenn ich mir dies damals, vor einem Jahr niemals hätte vorstellen können. Ich lernte ihr Tempo zu berücksichtigen und mich ihr anzupassen und wurde mit der Zeit um einiges geduldiger und gelassener. 

Ich hatte viel mehr Gelegenheiten sie genauer zu beobachten und lernte die Welt mit ihren Augen zu sehen.

Da sie ständig nach allem fragt, musste ich mir ein paar Tier- und Pflanzenführer zulegen (auch um gefährliche Tiere und giftige Pflanzen zu vermeiden) und lernte so einiges dazu.

Ich lernte ihr mehr zuzutrauen und sie an meinem Alltag auch außerhalb unserer eigenen vier Wände aktiv teilhaben zu lassen. 

Ich weiß nicht, wie ich getan hätte, wenn ich Zwillinge oder wenn ich bereits noch ein kleines Baby hätte. Das wäre sicherlich nicht ganz so einfach gewesen, keine Ahnung. Aber ich bin unendlich froh, dass ich ihren Wunsch damals respektiert habe und dadurch diese Erfahrung machen konnte.

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