
Sie ist dreieinhalb Jahre alt. Ein Bündel purer Lebensfreude, voller Liebe und Tatendrang. Aber ebenso gut kann sie wütend werden, wenn ihr etwas so ganz und gar nicht passt. Und das sogar ziemlich laut!
Es gibt Tage, an denen ihre Wutausbrüche für mich eine immense Herausforderung bedeuten. Was ich aber in diesen dreieinhalb Jahren erst durch sie so richtig verstanden habe, ist, wie unglaublich viel es ausmacht, wie wir mit Kindern sprechen und agieren. Nicht nur, weil ihre emotionale, soziale und mentale Entwicklung davon abhängt, sondern auch unsere Beziehung zu ihnen - von Anfang an.
Es gibt Tage, an denen ihre Wutausbrüche für mich eine immense Herausforderung bedeuten. Was ich aber in diesen dreieinhalb Jahren erst durch sie so richtig verstanden habe, ist, wie unglaublich viel es ausmacht, wie wir mit Kindern sprechen und agieren. Nicht nur, weil ihre emotionale, soziale und mentale Entwicklung davon abhängt, sondern auch unsere Beziehung zu ihnen - von Anfang an.
1. Wie wir ihr helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen
Der Alltag ist voll mit großen und kleinen Problemen: Eine zuhause liegen gelassene Sonnenbrille, ein im Park gefundenes und wieder verlorenes Steinchen, Marillenmarmelade die leider nicht rot ist oder eine Autofahrt, die länger als 10 Minuten dauert - Tragödien, die unserer Tochter Sorgen und viele Tränen bereiten. Vor allen schlechten Erfahrungen kann ich sie nicht schützen, ebenso wenig kann ich all ihre Wünsche in Erfüllung bringen, aber eines kann ich und tue ich auf jeden Fall: ihre Gefühle ernst nehmen.

Wir sitzen an unserem Frühstückstisch wo sie mich um ihr geliebtes Müsli bittet. Doch wir haben keines mehr. "Es tut mir leid, aber das Müsli ist schon alle." - bedauere ich. "Ich mag aber Müsli!" dröhnt es zu mir herüber und dann wieder, mit etwas mehr Nachdruck: "Ich. Will. Müs. Li!!!" Es ist einer dieser Momente, wo ich innehalten muss. Denn gerade heute hätte ich es eilig, gerade heute muss ich an so viele Sachen denken, gerade heute brauche ich meine Energie. "Ich wünschte, ich könnte Dir welches geben." sage ich zu ihr mitfühlend. "Ich will aber welche!" sagt sie und bereits beim "aber" löst sie sich in Tränen auf.
Ich spüre, dass ich bald meine Geduld verliere. Doch dann muss ich daran denken, wie schlecht es wohl ihr dabei gehen muss. Sich so machtlos zu fühlen. Sprechen zu können und doch nicht verstanden zu werden.
Was sie brauchte, war Verständnis für ihre Gefühle - und meinen Trost. Wir schreiben gemeinsam 'Müsli' auf unsere Einkaufsliste und es dauert nur wenige Minuten, bis sie mich ganz aufgelöst um ein Butterbrot bittet. (dem Himmel sei Dank, dass wir Butter und Brot im Haus haben!)
2. Wir wir sie zur Kooperation ermutigen
Es sind oft nur kleine Unterschiede in der Kommunikation, die aber entscheidend sind. Statt einem wütenden "Komm endlich!", ein "Komm, lass uns gehen!", statt einem ungeduldigen"Was dauert schon wieder so lange!", ein verständnisvolles "Schuhe anzuziehen braucht viel Fingerspitzengefühl, nicht wahr?", und es hilft oft auch, wenn ich das Problem einfach nur beschreibe: "Die Stiftspäne liegen auf dem Boden. Wir brauchen einen Handbesen und ein Kehrblech", anstatt ihr Befehle zu erteilen. Solche einfühlsame Sätze wirken magisch!
Es gibt auch zahlreiche Gelegenheiten im Alltag, bei denen wir ihr ganz einfach einige Alternativen anbieten, so dass sie im Supermarkt auf andere Gedanken kommt, als zB. Parkouren mit dem Wagen zu fahren. Wir bitten sie vielleicht 5 rote Äpfel abzuzählen und sie macht mit Begeisterung mit und steckt die Äpfel dann sogar in ein Säckchen. Sie braucht eben Aufgaben, an denen sie wachsen kann.

3. Wie wir dazu beitragen, dass sie gewaltfrei Grenzen erfährt
"Freiheit bedeutet nicht, dass man tut, was man will, sondern Meister seiner selbst zu sein." - Maria Montessori
Manchmal lassen sich im Alltag direkte Konfrontationen mit ihr kaum vermeiden, besonders dann nicht, wenn sie mich zu schlagen oder zu kneifen versucht. Allerdings gibt es einen gewaltfreien Weg, jenseits von Bestrafung! Und zwar durch Ich-Botschaften. "Ich kann es nicht zulassen, dass Du mich haust. Denn das tut mir weh!" und "Es frustriert mich, wenn ich etwas zu sagen versuche und es aber nicht fertig sagen kann!". Dies sind Sätze, die mir anfangs schwer fielen, die mich aber viel Achtsamkeit lehrten, mir zeigten, wie ich eigene Bedürfnisse und Grenzen mitteilen kann, ohne dabei mein Gegenüber zu kränken.
Statt zu sagen, was sie nicht machen soll, sagen wir ihr, wofür Sachen benutzt werden können. Statt Drohungen (Wenn.., dann...!) besprechen wir mit ihr den Plan ("Zuerst putzen wir gemeinsam die Zähne und danach lese ich Dir eine Geschichte vor."). Und nicht zuletzt erfährt sie ganz viele Grenzen durch die Vorbereitete Umgebung, wenn sie zB. nur 5 T-Shirts im Kleiderschrank zur Auswahl hat oder 3 Paar Schuhe in der Garderobe; wenn sie ihren Kopf zum 3. Mal an der unteren Tischplatte anschlägt, weil es unter dem Tisch nun mal sooo viel Bewegungsfreiheit gibt und wenn für sie nur eine kleinere Portion Butter in der Butterdose bereit steht, die sie zum Frühstück (statt dem vermissten Müsli) verschmieren kann.

4. Wie wir ihre Autonomie stärken
Ob sie weißes oder lieber ein dunkles Brot essen möchte; ob sie ihre Wasserfarben vor oder nach dem Mittagessen vom Flur wegräumen mag; ob sie 1, 2 oder 3 Zöpfe haben möchte; oder ob wir rote oder türkise Sandalen für sie kaufen sollen - sie entscheidet. Denn jede dieser kleinen Entscheidungsmöglichkeiten geben ihr das Gefühl, über ihr eigenes kleines Leben bestimmen zu dürfen. Auch wenn sie manchmal ihre Entscheidung bereut, diese Gelegenheiten machen sie stärker und selbstbestimmter. Schließlich "lernenKinder, gute Entscheidungen zu treffen, indem sie Entscheidungen treffen, nicht indem sie Anweisungen folgen." wie Alfie Kohn so passend formuliert.
"Ich will das alleine machen!" höre ich oft von ihr. Auch wenn sie aufgrund einer misslungenen Aktion frustriert ist, greifen wir nicht sofort ein, sondern zeigen Respekt für ihre Mühe und helfen nur dann, wenn sie nach Hilfe fragt und geben ihr nur so viel Hilfe, wie viel sie benötigt um ihr Vorhaben alleine bewältigen zu können. Ihr helfen, sich selbst zu helfen und sie dann machen lassen - für mich die respektvollste Art, ihre Autonomie zu stärken.

Und oft kommt es mir eher so vor, als wäre sie da um MIR zu helfen. Seit sie auf dieser Welt ist, lehrt sie mich Geduld, Humor und bedingungslose Liebe, denn sie liebt mich immer und ohne jegliche Erwartungen. Auch, wenn ich müde, wütend oder mal unerträglich bin. Ja, als wäre sie hier, um mir zu helfen - ein besserer Mensch zu sein.